Psychotherapie

Sexualität im Alter

„Wer nicht alt werden möchte, muss früh sterben,“ hat meine Großmutter immer gesagt. Sie hat es immerhin geschafft 95 Jahre alt zu werden und das bei recht guter Gesundheit. Ob sie in ihren letzten Lebensjahren noch Sexualität gelebt hat, weiß ich nicht. Ich denke aber, dass sie spätestens mit dem Tod meines Großvaters, viele Jahre vor ihrem eigenen, auch ihre Sexualität eingestellt hat – aber wer weiß....?

Die Lebenserwartung in Österreich beträgt derzeit 83,6 Jahre für Frauen und 78,9 Jahre für Männer. Laut Wikipedia sind im Alter von 51-60 noch 89% der Männer sexuell aktiv, sofern sie in Partnerschaften leben, bei Frauen sind es immerhin noch 85,6%. Dieser Anteil nimmt bei dem über 80 Jährigen auf 30,8% bei den Männern ab, bei Frauen auf 25%.

Es bleibt also eine doch beachtliche Personengruppe, die ihre Sexualität bis ins hohe Alter ausleben möchte.

Für Einige ist und bleibt dieser Themenbereich unproblematisch, andere suchen Hilfe in unseren Praxen.

Jeder Mensch ist einem natürlichen Alterungsprozess unterworfen. Für manche verläuft diese Entwicklung weitestgehend problemlos, anderen bereitet er Schwierigkeiten. Diese Veränderung wirkt sich natürlich auch auf das Sexualleben aus.

Was sind nun also die Veränderungen und Problemstellungen mit denen sich alternde Paare konfrontiert sehen?

Hindernisse für Sex im Alter

  1. Probleme mit dem Körperbild
  2. Sexuelle Langeweile
  3. Scham, Klischees
  4. Physiologische Einschränkungen
  5. Psychische Einschränkungen
  6. Gesundheitliche Probleme
  7. Körperliche Fitness
  8. Probleme mit dem Körperbild
     

Obwohl es in Österreich den letzten Jahren deutliche eine Entwicklung hin zu mehr Diversität gibt, wird Jugendlichkeit und ein schlanker, straffer Körper noch immer idealisiert. Egal was man tut oder wie sportlich man auch sein mag, eine Veränderung des Körpers ist im Älterwerden nicht aufzuhalten. Die Haut wir schlaff und es entstehen Falten. Meist kommt es im Alten zu einer Gewichtszunahme und in der besonders Leibesmitte wird mehr Fett eingelagert. Alles scheint der Schwerkraft zu folgen und zieht nach unten.

Bein Sex hängen die Brüste und der Bauch und auch das Gesicht ist nicht mehr so straff, was besonders die Person stört, die oben ist.

V. Sigusch (2013, S.463) gibt zu bedenken: „Allerdings gibt es nach wie vor nicht wenige, die Sexualität im fortgeschrittenen Alter belächeln oder sogar abstoßend finden. Das ist eigentlich kulturlogisch, weil wir es ja nach wie vor mit einer Kultur des Jugendwahns insofern zu tun haben, als an diskursrelevanten ästhetischen Orten durchgehend junge, übermäßig schlanke Leiber öffentlich präsentiert werden und das insofern frauenfeindlich, als nach wie vor noch jener ‚double standard of aging’ existiert, von dem Susan Sontag (1972) gesprochen hat. Er bedeutet: Männer sind in dieser Kultur schön als Knaben und als graumelierte Herren, Frauen dagegen sind nur schön, wenn sie jung sind.“

Die deutsch, amerikanische Sexualtherapeutin Ruth Westheimer (2013, S.69) beruhigt allerdings: „Eine Frau, die zehn Pfund zugenommen hat, ist wahrscheinlich felsenfest überzeugt, dass ihr Mann sie nun nicht mehr attraktiv findet. In Wirklichkeit gefällt es ihm vielleicht sogar, oder – wie ich das bei vielen Männern erlebt habe – es ist ihm noch gar nicht aufgefallen.“

Um wieder zu mehr Mut sich zu zeigen zu gelangen, kann es hilfreich sein sich selbst im Spiegel zu betrachten und sich mit dem eigenen Erscheinungsbild vertraut zu machen.
Mit dem Partner oder der Partnerin gemeinsam in der Badewanne zu baden, versteckt viel vom Körper und senkt die Hemmschwelle. Auch empfiehlt es sich, Sex vielleicht bei gedämpftem Licht zu praktizieren.

Meist aber ist das völlige Verschwinden von Sexualität für die Partnerschaft problematischer als die körperlichen Veränderungen an sich.

Wie schon oft erwähnt, wird die Sexualität im Lauf von Langzeitbeziehungen ganz von alleine schlechter, dazu muss man nichts tun. Wenn nun auch der Einfluss der Hormone geringer wird, sinkt auch das sexuelle Verlangen.

Sex gilt als etwas Lebendiges. Leider wird uns durch Werbung und Medien oft vermittelt, dass es ein Lebensbereich ist, der der Jugend vorbehalten bleibt. Oft führt das zu Scham bei alten Menschen, die sich durchaus noch Sexualität wünschen. Sie wagen nicht ihre sexuellen Wünsche zu äußern und oft ist es ihnen peinlich überhaupt noch sexuelles Verlangen zu verspüren.
Der Mensch ist von der Geburt bis zum Tod ein sexuelles Wesen und so ist es nur natürlich auch in jedem Lebenszyklus sexuelle Impulse zu verspüren.

„In den hoch entwickelten westlichen Ländern erreicht heute eine immer größer werdende Zahl von Menschen bei relativ guter Gesundheit ein hohes Alter. Dies ist einer der Gründe, weshalb Fragen der Alterssexualität in den letzten Jahren zunehmend Beachtung finden. Die große Mehrzahl der Befragten erfreut sich heute einer guten Gesundheit, ist aktiv und unternehmungslustig und beurteilt die Sexualität als wichtigen Bereich ihrer Lebensqualität. Neben diesen ‚positiven objektiven Fakten’ darf jedoch nicht übersehen werden, dass alte Menschen in unserer Gesellschaft z. T. in subtiler Weise diskriminiert werden. In einer Zeit, in welcher Jugendlichkeit und Flexibilität als Ideale gelten, laufe ältere Menschen Gefahr, mehr verdeckt als offen entwertet zu werden.“ (C. Buddeberg S. 150)

In jungen Jahren geschieht Erregung oft quasi von selbst. Besonders bei Männern genügt es meist schon nur an Sex zu denken oder eine sexuelle anziehende Person zu sehen um erregt zu werden und eine Erektion zu bekommen.

Auch bei Frauen wird die Erregungskurve deutlich langsamer. Die Lubrikation setzt deutlich später ein und manche Frauen leiden an Scheidentrockenheit und einem dünner Werden der Scheidenwand. In diesen Fällen gibt es medizinische Abhilfe durch Hormonbehandlungen. Oft genügt allerdings auch die Verwendung von Gleitgels oder rein pflanzlichen Mitteln. „Studien haben gezeigt, dass Frauen Symptome wie Scheidentrockenheit, das Dünnerwerden der scheidenwände und das Schrumpfen der Vagina nach der Menopause abmildern können, indem sie mindestens zweimal pro Woche Sex haben.“ (R. Westheimer 2013, S.101)

Mit zunehmendem Alter gewinnt das Vorspiel somit an Bedeutung. Männer brauchen häufig deutlichere physische Stimulation, meist mit der Hand. Dafür aber verliert der Orgasmus an Bedeutung und der Sexualakt wird mehr zu einer Begegnung als auf einen (schnellen) Orgasmus ausgerichtet.

Genauso wichtig wie körperliche Gesundheit ist natürlich auch das psychische Wohlbefinden. Mit fortschreitendem Alter kommt es vermehrt zu Depressionen. Je stärker die Depression ausgeprägt ist, desto stärker wirkt sie sich auf das sexuelle Verlangen aus und es kommt zu sexueller Unlust. Das kann für den/ die nicht betroffene Partner*in eine schwierig Herausforderung sein. Als Nebenwirkung von medikamentösen Behandlungen von Depressionen kommt es oft zu einer deutlichen Verminderung der Libido. Eine Veränderung der Lebensgewohnheiten und mitunter auch Psychotherapie können Abhilfe schaffen. Ist eine medikamentöse Behandlung jedoch unerlässlich, sollte das Gespräch mit der Ärzt*in gesucht und der Wunsch nach Sexualität geäußert werden. Es gibt durchaus Medikamente, die einen nicht all zu großen Einfluss auf die Libido haben.

Neben Depressionen leiden alternde Menschen besonders an psychischen Beeinträchtigungen, wie Demenz oder Angststörungen, die sich ebenfalls auf die Sexualität auswirken können.

Schon Seneca sagte: „Das Alter ist eine unheilbare Krankheit.“ Neben dem Alterungsprozess an sich kann es mit zunehmendem Alter zu eine Vielzahl an Erkrankungen kommen. Herz- Kreislauferkrankungen sind dabei besonders häufig. Die Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten führt oft zu Erektionsstörungen, aber auch eine Menge anderer Medikamente kann zu Nebenwirkungen und Einschränkungen führen, die im Einzelfall mit der Ärtz*in besprochen werden müssen.

Oft werden Frauen in fortschreitendem Alter an der Hüfte operiert, was in der Phase der Rekonvaleszenz besondere Achtsamkeit und Vorsicht benötigt.

Nicht zuletzt ist körperliche Fitness ein entscheidender Faktor für Sexualität. Sex kann, selbst wenn er langsam praktiziert wird, körperlich anstrengend sein. Darüber hinaus beeinflusst Sport das Körpergefühl positiv, man fühlt sich stärker und attraktiver, ist kraftvoller. Selbstverständlich ist damit nicht gemeint, dass Höchstleistungen erreicht werden müssen. Regelmäßige, moderate Bewegung, wie öfter mal zu Fuß gehen und Treppensteigen reicht völlig aus.

Besonderes Augenmerk gilt auch und vielleicht sogar besonders in zunehmendem Alter dem Beckenboden. Regelmäßige und konsequente Beckenboden Übungen schützen nicht nur weitgehend vor Harninkontinenz, sie fördern auch die Orgasmusfähigkeit.