Frauen in der Gewaltfalle
Ein im Web veröffentlichtes Video zeigt, wie der Football-Spieler Ray Rice seine Verlobte Janay Palmer bewusstlos schlägt. Trotzdem heiratete sie ihn. Warum Frauen so oft bei Gewalttätern bleiben.
von Agnes Ferner am 11.09.2014
Ein Paar in einem Hotellift. Es zankt. Plötzlich schlägt der Mann die Frau. Brutal. Gegen den Kopf. Sie fällt zu Boden, knallt mit dem Kopf dabei an den Handlauf, bleibt bewusstlos liegen.
Der Mann schleift sie aus dem Lift in den Hotelflur. Wie einen Sack Kartoffeln. Kickt noch einmal gegen ihre leblosen Beine. Du. Bist. Nicht. Mehr. Als. Ein. Stück. Müll.
Das Video, das die Gewalteskalation zwischen dem US-Football-Profi Ray Rice und seiner Verlobten Janay Palmer zeigt, ist brutal. Geht an die Nieren. Macht betroffen.
Das Video aus der Überwachungskamera des Hotels gelangte erst Monate nach dem Vorfall an die Öffentlichkeit. Presseberichten zufolge liegt der Exekutive ein weiterer Clip vor, das zeigt, wie Augenzeugen lieber wegsehen, als die Polizei zu rufen.
Doch obwohl der Mann sie brutal zu Boden schlug, blieb Janay bei ihm. Mehr noch: Kurz nach dem Vorfall heirateten die Beiden.
Nun, nachdem das Video im Internet geleaked wurde und weltweit mehrere Millionen Mal abgerufen wurde, meldet sich das Opfer zu Wort.
Auf Instagram verteidigt die junge Frau die abscheuliche Tat ihres Mannes. Mehr noch: Sie gibt den Medien die Schuld an der Situation.
Mittlerweile ist ihr Instagram-Account geschlossen. Zu massiv waren die Proteste anderer Frauen, die nicht nachvollziehen können, warum das Opfer den Täter auch noch verteidigt. Prügel-Player Ray Rice wurde mittlerweile von seinem NFL-Team gekündigt.
»Frauen bekommen vermittelt: Du bist schuld, dass du gehauen wirst!«
Im Interview mit WOMAN erklärt die Wiener Paartherapeuthin Brigitte Moshammer-Peter warum so viele Frauen, die Opfer von Gewalt werden, die Täter auch noch decken.
WOMAN: Frau Moshammer-Peter, warum gehen viele Frauen zu gewalttätigen Männern zurück bzw. bleiben in einer solchen Beziehung? Prominente Beispiele von Whitney Houston und Rihanna gibt es zur Genüge...
Moshammer-Peter: Es kommt immer darauf an, welche Beziehungen diese Frauen aus ihrer Familie, von ihrer Herkunft gewohnt sind. Wer Gewalt gewohnt ist, akzeptiert sie eher. Außerdem sind die Täter meist unglaublich charmant und extrem nett bei der anschließenden Versöhnung.
WOMAN: Weshalb verteidigen und verleugnen Frauen solche Gewalttaten und belügen sich damit selbst?
Moshammer-Peter: Nun, sie müssen es verteidigen, ansonsten könnten sie ihr eigenes Verhalten und ihre Handlungen vor sich selbst auch nicht rechtfertigen. Es ist vergleichbar mit einer Person, die spielsüchtig ist. Je mehr in die Beziehung investiert wird, je mehr eigene Grenzen überschritten werden, desto schwieriger ist es eine Lösung zu finden. Die Hoffnung irgendwann etwas zurück zu bekommen, wenn frau es nur lang genug aushält, besteht oft lange.
WOMAN: Wieso fällt es Frauen so schwer aus der Opferrolle auszubrechen?
Moshammer-Peter: Grundsätzlich ist das natürlich möglich, manche bleiben allerdings ihr Leben lang in gewalttätigen Beziehungen, weil eine Gewohnheit, eine Vertrautheit vorhanden ist. Viele bekommen auch vermittelt "Du bist schuld!". Wenn sie anders handeln würden, müsste der Partner sie nicht schlagen. Manche sind auch mit dem Bewusstsein schuld zu sein aufgewachsen – in der Partnerschaft setzt sich das fort. Davon müssten sich die betroffenen Frauen befreien. Es muss das Bewusstsein geschaffen werden in Therapie zu gehen, das ist ein Prozess, sonst tappen sie sehr leicht wieder in die gleiche Falle.
WOMAN: Was kann ich als Freundin, Schwester, indirekt Betroffene tun, wenn ich merke, dass in der Beziehung Gewalt angewandt wird?
Moshammer-Peter: Auf keinen Fall selbst die Heldin spielen, sondern den Fall lieber den Profis überlassen. Dabei sollten die Opfer keine Angst vor hohen Kosten haben, denn eine teure Psychotherapie ist im ersten Moment nicht notwendig. In Österreich ist die Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt sehr gut vernetzt. Gehe mit deiner Freundin zur Frauenberatung, wähle den Frauennotruf. Schnelle Hilfe ist kostengünstig oder überhaupt gratis.
Frauenberatung: frauenberatung.at
Frauennotruf: 01 / 71719